Wie im letzten Biertext besprochen, wurden in den letzten 20 Jahren die grösseren Schweizer Brauereien von den grossen und die grossen von den noch grösseren gefressen, dann kamen die Ausländer Carlsberg und Heineken aus Dänemark resp. Holland, übernahmen die Fusionsprodukte und teilen sich heute zwei Drittel des Schweizer Biermarktes unter sich auf (Heineken 23% mit Calanda, Haldengut und Eichhof mit Ziegelhof) und Carlsberg 40% mit Feldschlösschen, Cardinal, Warteck, Gurten, Walliser Bier und Hürlimann). Und was haben wir noch geschrieben? "Uns soll's egal sein; wir trinken von den Kleinen." Das Ganze hat nämlich auch positive Seiten: Grosse verschiwinden und Traditionen gehen zu Ende, aber unzählige Neue, Kleine kamen nach.
Eine eigentliche Binsenweisheit ist den Wirtschaftswachstumfritzen nämlich nicht in ihr E-Matur-Hirneli gekommen: der simple, etwas plakative Satz "Bier braucht Heimat." Die Leute wollen sich mit ihrem Bier identifizieren können und nicht ein multinationales Gesöff schlürfen. (Ämu die, wo druschöme.) Heineken hat das teilweise begriffen und das (in Chur gebraute) Amstel vom Schweizer Markt zurückgezogen. Vor allem wollen die Leute gutes Bier und nicht grusiges. Und die Kleinbrauereien machen einfach das bessere, individuellere und vielseitigere (das heisst mehr phantasievolle Sorten) Bier. Schon eine Woche nach der Bekanntgabe der Stilllegung der Gurtenbrauerei hatte Max Egger zig Anfragen von Wirten, die zu ihm wechseln wollten. Vom Brauereisterben der Grossen profitieren die Kleinen, und unzählige Kleinst-, Gasthaus- und Hausbrauereien schossen aus dem Boden. 1990 gab es in der Schweiz noch etwa 30 Brauereien, heute etwa 300 (zumindest theoretisch; nicht jede Garagenbrauerei ist wohl unentwegt in Betrieb). Zwar blieben in den letzten paar Jahren noch einige Mittlere auf der Strecke: Ziegelhof in Liestal, Lanter & Bärlocher in Weinfelden, Löwengarten in Rorschach und ... schnüff ... der allerherbeste Verlust ... Karbacher in Schönenwerd. Insgesamt ist aber die Biervielfalt in der Schweiz so gross wie seit hundert Jahren nicht mehr, wenn nicht gar grösser denn je. Und was will man mehr? (Gut, etwas schon: Karbacher und Baumberger.)
Dies die Einleitung zum heutigen Bier. Manchmal gibt es aus Protest gegen eine Schliessung gerade eine Brauerei am selben Ort. Und wie beim Haldengut vermerkt, wurde die Brauerei in Winterthur 2002 geschlossen. 2004 gründeten einige Enthusiasten eine neue, kleine Brauereifirma: die Brauerei Stadtguet. 2005 war die Brauerei an der Industriestrasse 35 betriebsbereit, und seither sind die Anlagen sogar schon vergrössert worden. Die Jahrzahl 2002 auf der Etikette nimmt wohl Bezug auf die Haldengut-Schliessung und das erste Keimen der Idee einer Neugründung.
So, und nun zum Bier, sonst steht es ab und wird warm, denn ich habe es eingeschenkt und zu trinken begonnen, als ich mit dem Schreiben begonnen habe. Klar, also filtriert, Farbe: etwas heller als "normal", Alkohol 4.8% (ein bisschen bünzlig für eine aus Protest gegründete Kleinstbrauerei, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf), im Geschmack fruchtig und etwas süss, aber nicht zu süss. Schwach gehopft.
getrunken am 19. und 20. Mai 2011 (je ca. eine Viertelstunde vor und nach Mitternacht)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen