Dienstag, 18. Januar 2011

Bier 11: Calanda Edelbräu

Wie edel doch so viele Biere sind! Und doch lässt es sich ganz prosaisch direkt aus dem Fläschli trinken mein (glaub') einziges Calandaglas habe ich vorletzte Woche beim Abwasch zerbrochen. Und die entsprechenden Edelbräu-Bierteller sind auf dem Estrich. Also, das Spezialbier von Calanda. Bünzlige Schweizer-Spez-5.2 Prozent. Nicht so bitter; die Bitterkeit bleibt im Hintergrund, ist noch am ehesten spürbar, solange das Bier noch im Mund ist. Nach dem Hinunterschlucken betont malzig. Ein gutes Bier ohne viele Ecken und Kanten, aber doch eher zu deftigem Essen oder als Schlummertrunk geeignet denn als Apéro wie viele Spezze. (Diese Pluralform findet sich im Testament von Konrad Duden; ihre Etablierung war sein letztes Anliegen.) Gebraut in Chur. Was die dort noch für Scheiss brauen! Heineken, brrrrr! Goooooooooooopferdami. Und das mit unserem Schweizer Quellwasser! Blasphemie. Landesverrat. Ausverkauf der Heimat. Das führe noch zu Tamlien im Bundesrat, würde ein gewisser Bürger von Wahlern sagen. Immerhin haben sie das Amstel vom CH-Markt genommen.

Da es geschmacklich nichts weiter zu vermerken gibt (ja, man kann nicht nur an- und/oder bemerken!), lasst uns die Etiketten näher betrachten und vielleicht die eine oder andere linguistisch-semantische Überlegung anstellen. Flaschenhals: "Calanda". Hauptetikette: "1780" (ooh! Pech gehabt! Schützengarten, 1779 gegründet, ist die älteste Brauerei der Schweiz) / "seit depuis" / "CALANDA" / "Edelbräu" / "gebraut aus reinem Bergquellwasser" / "birra speziale Spezialbier bière spéciale". Vom Rücken zitieren wir eklektisch: "Calanda. Natürlich anders · Différent de nature" / "Das Spezialbier für höchsten Trinkgenuss." / "La bière spéciale appréciée des connaisseurs." Beginnen wir ganz hinten. Wie weise, die deutsche Plattitüde nicht direkt ins Französische zu übersetzen! Da hat der Übertrager tatsächlich etwas überlegt.



Auf der Vorderseite fällt die einzige italienische Angabe auf, "birra speziale". Und es kommt noch vor der entsprechenden französischen, wenn die beiden auch das deutsche "Spezialbier" auf dem Banner in der Mitte flankieren. Bemerkenswert ist jedenfalls, dass alle Landesprachen vorkommen ausser ausgerechnet das Rumantsch. (Es sei denn, man lasse "Calanda" durchgehen.) Hingegen natürlich hintendrauf: "Heineken Switzerland AG". Tja, Englisch muss schon sein, wenn man eine Firma ist, die etwas auf sich hält.

Jetzt noch zu diesem "gebraut aus reinem Bergquellwasser". Also abgesehen davon, dass "mit" statt "aus" wohl korrekter wäre, sind doch auch Gerstenmalz und Hopfen als Zutaten angegeben (die Hefe fehlt; Zauberei!), riecht der Ausdruck "reines Bergquellwasser" einerseits ziemlich stark nach deutscher Werberhetorik (siehe Bier 4), andererseits ist er inhaltlich zu hinterfragen. Das Quellwasser muss nämlich garantiert noch aufbereitet werden, und was am Schluss noch an die Bergquelle erinnert, ist fraglich. Wie heisst es doch? Eisen, Mangan, Nitrat, Natriumkarbonat, aggressive (Metall angreifende) Kohlensäure sowie Kieselsäure dürfen im Brauwasser nicht oder nur in sehr geringer Menge enthalten sein. Und auch die Wasserhärte soll innerhalb bestimmter Grenzen liegen, z. B. verlangt man für helle Biere Pilsner Art eine niedere Karbonathärte von etwa 2 bis 5 ° d. H. und eine niedere Nichtkarbonathärte, für dunkle Biere Münchner Art eine mittlere Karbonathärte von etwa 8 bis 12 ° d. H. und eine niedere Nichtkarbonathärte, und helle Biere Dortmunder Art braut man meist mit Wasser hoher Karbonat- und Nichtkarbonathärte, das ist ganz klar.

Nun wird das Wasser, dieses reine Bergquellwasser, entkeimt. Das geschieht zum Beispiel durch Chlorierung, selbstverständlich mit wässriger Hypochloritlösung mengenproportional, oder durch eine Chlordioxidbehandlung. Oder durch UV-Behandlung. Oder durch Ozon-Behandlung. (Letztere wird übrigens auch zur Flaschensterilisation angewandt.) Alsbald wird das Wasser enthärtet: mittels Kalkentkarbonisierung, Ionenaustauschern, Voll-Entmineralisierung oder Umkehrosmose undsoweiterundsofortundsoweiterundsofort. Aber Obacht! Eventuell ist nun eine Wiederaufbereitung vonnöten, klarerweise mit Hilfe einer Elektrodiarese. Für Begriffsstutzige hier ein erhellendes Schema:
Also diese Holländer müssen nicht meinen, mit unserem Bergquellwasser angeben zu können. Sind sie doch kulinarisch ohnehin nicht ganz so berühmt. Ein mir befreundeter Berner Staatsanwalt war einmal bei Holländern zum Znacht eingeladen. Gut, es waren alles junge Leute auf einem Campingplatz. ABER TROTZDEM: Was gab's zu essen? Scheibenkäse mit Ketchup.
getrunken am 18.1.11

p. s. oder vielmehr post pictum: Ich habe den Bierteller noch vüregrüblet, wala:





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